Bindungs- und bedürfnisorientierte Familienberatung

B.Sc. Psychologin Maxie Ketschau-Repty

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Bedürfnisorientierte Erziehung 

Warum Nein sagen manchmal so schwer fällt.


„Ich möchte tun, was gut für mein Kind ist.“ Jedes Elternteil beginnt mit diesem Vorsatz. Es ist ein guter Vorsatz. Ich glaube jedoch, manchmal gibt es eine Verschiebung. Mit der Zeit wird er zu: „Ich möchte tun, was mein Kind glücklich macht.“ Wie kommt das?

In der Babyzeit sind diese beiden Vorsätze noch gleichzusetzen. Was Baby glücklich macht, ist gut für Baby. Ein Jahr lang beschützt man also als Löwenmama und Bärenpapa vor Schmerz und Unglück, ist der Fels in der Brandung, das gottgleiche Wesen, das alle Unbilden der Welt entfernen kann – und dann kommt das Kleinkindalter und was das Kind möchte, ist nicht mehr unbedingt auch gut für es. Mit rasanter Geschwindigkeit lernt das Kind seinen Willen zu zeigen und Dinge einzufordern - und die will es JETZT!

Alles, was nun zwischen Wunsch und Umsetzung steht, sind wir. Wir, Babys gottgleiche Wesen der Liebe und aller positiven Gefühle der Welt, sind nun die Ersten, die unserem Baby Schmerz bringen.

Wenn wir nicht Eis essen gehen abends um 20:00 Uhr, nicht das vierte Brot schmieren wollen, nach dem die ersten drei nicht angerührt wurden. Wenn wir nicht mitspielen wollen oder der Fernseher aus soll. Die Liste ist unendlich lang.

Ich glaube, es ist diese plötzliche Umkehrung von Engel zu Teufel, die viele dazu bringt, die Schuld für diesen Schmerz nicht auf sich nehmen zu wollen. Mama und Papa sind gar nicht Schuld, dass wir nicht Eis essen gehen – die Eisdiele hat eben zu. Das vierte Brot schmieren wir nur nicht, weil ja die ersten nicht aufgegessen wurden – selber schuld! Der Fernseher muss aus, weil der Timer klingelt – blöder Timer, nicht blöde Eltern. Oft höre ich die seltsamsten Erklärungen von Eltern gegenüber ihren Kindern, die nur dazu dienen, die Schuld an einem Schmerz einer externen Sache zuzuschieben. Das M von Mc Donalds muss leuchten – sonst ist es gar nicht offen. Das iPad kann ich auch nicht wieder anschalten, nachdem die Kindersicherung es gesperrt hat. Der Eisladen hat gar nicht offen – die räumen nur auf.

Kleine Lügen, die uns das Leben erleichtern sollen. Sie verhindern den Wutanfall. Und vor allem verhindern sie, dass wir Eltern die Doofen sind. Wir wollen nicht doof sein, wir wollen wieder das leuchtende Überwesen sein! Leider kommt diese Zeit in dieser Form nicht zurück.

Schlimmer noch: Das Leugnen der eigenen Wünsche und Grenzen ist eine schnelle Methode in eine Abwärtsspirale. Die Wünsche unserer Kinder werden immer spezifischer und dringlicher. Lernen sie nun, dass diese  immer erfüllt werden, wenn es möglich ist, erwarten sie dies auch. Dann müssen immer neue künstliche Ideen her, warum etwas nicht möglich ist. Manche Eltern verstricken sich geradezu in einen Regelkatalog, der keinen Raum zum atmen lässt. Und noch während sie alle diese Regeln aufstellen, haben sie das Gefühl nie Nein zu sagen – schließlich gibt es ja immer Regeln!

All die elterliche Energie fließt in die Aufrechterhaltung dieser Regeln. Am Ende des Tages ist keine Energie mehr da, um ein Ereignis aufzufangen, für das es noch keine Regel gibt, keine Energie für Ausnahmen, keine Energie zum Jasagen. Viele Eltern verlernen in diesem Tanz ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche nun vollständig aus dem Blick. Ständig gehen sie an oder über ihre eigenen Grenzen und sind am Ende des Tages ausgelaugt. Sie sind nun nie der Teufel, nehmen sich aber auch die Chance, der Engel zu sein.


Wie kann man nun aussteigen aus dieser Spirale der Regeln und Kämpfe um Regeln? Im Prinzip ist es ganz einfach: mit Ehrlichkeit. „Ich will jetzt nicht Eis essen gehen.“ Punkt. Eigentlich so einfach. „Ich will nicht“. Ganz ohne Ärger. Mit dem Wissen, dass es unser Kind traurig macht. Und dennoch: „Ich will nicht.“

Die Traurigkeit des Kindes kann nun echt begleitet werden. Eventuelle Wut kann und soll ausgelebt werden. Es kann schwierig sein, diese Ehrlichkeit wieder zu spüren und auszuhalten.


Unsere Kinder können aber nur von uns lernen, was „Ich will nicht“ bedeutet. Warum man etwas nicht will. Wann man etwas nicht will. Wie sich das für den anderen anfühlt. Dass nicht wollen ok ist. Und auch, wann man etwas trotzdem tut. All diese Erfahrungen verweigern wir ihnen, wenn wir die Schuld auf Externes abwälzen.